Quellen

Was ist eine Quelle?

Geschichtswissenschaftliche Forschung ist auf "Quellen" angewiesen. Gemäß den Historiker*innen Maria Rhode und Ernst Wawra kann der Begriff der Quelle folgendermaßen definiert werden: 

"1. Alles, aus dem Informationen über vergangene Zeiten extrahiert werden können, ist eine potenzielle Quelle.

2. Die Fragestellung definiert, was Quelle sein kann - unabhängig von ihrer Materialität und der ursprünglichen Intention." 

Folgendes Beispiel sei zur Illustration angeführt: Ein Zeitungsbericht über das Attentat von Sarajevo 1914 etwa ist erst einmal nicht mehr als ein Zeitungsartikel. Zur Quelle wird er, wenn Historiker*innen Fragen an ihn stellen, um Erkenntnisse über die Vergangenheit zu gewinnen. So ließe sich der Artikel daraufhin befragen, wie das Attentat von Sarajevo zeitgenössisch wahrgenommen wurde, wie die Attentäter* dargestellt wurden, oder welche Rolle nationale Konflikte in der späten Habsburgermonarchie im Artikel spielten. Wird der Zeitungsartikel herangezogen, um derartige Fragen zu beantworten, wird er zur Quelle. Quellen sind demnach das Material, auf dessen Basis Historiker*innen versuchen, ihre Forschungsfragen zu beantworten. 

Quelle & Forschungsfrage

Die Bedeutung von Quellen für geschichtswissenschaftliche Arbeiten ist somit kaum zu überschätzen. Wissenschaftliche Arbeiten drehen sich immer darum, eine Forschungsfrage zu stellen und die Antwort auf diese zu argumentieren. In der Geschichtswissenschaft passiert das auf Basis von Quellen. Welche Frage Sie überhaupt stellen und beantworten können, hängt von Ihren Quellen ab. Wenn Sie eine Forschungsfrage für eine wissenschaftliche Arbeit formulieren, empfiehlt es sich daher immer auch zu überlegen, mit welchen Quellen Sie Ihre Frage beantworten können, und ob diese überhaupt vorhanden und zugänglich sind. Ihre Forschungsfrage sollten Sie sozusagen mit der Quelle formulieren und weiterentwickeln. In der Regel werden Sie Ihre Forschungsfrage unter Anderem räumlich und zeitlich einschränken müssen sowie auf bestimmte Akteur*innen, bestimmte Gruppen oder Milieus. Dies kann genauso mit der Quelle geschehen - bestimmte Quellen stammen aus bestimmten Zeiträumen und geographischen Räumen, sie lassen auch nur Schlüsse auf bestimmte Akteur*innen, Gruppen oder Milieus zu. Allerdings lässt sich in der Praxis des geschichtswissenschaftlichen Arbeitens manchmal auch der umgekehrte Weg antreffen: Am Anfang steht die Wahl - oder der Fund - einer Quelle oder eines Quellenkorpus, und erst danach folgt die Überlegung, welche Forschungsfrage damit beantwortet werden kann.

Grundsätzlich ist es immer wichtig, bei der Formulierung und Weiterentwicklung einer Forschungsfrage mitzubedenken, welche Quelle Sie zur Beantwortung heranziehen möchten und können, welche Erkenntnisse die betreffende Quelle zulassen könnte, und worüber Sie mit der Quelle überhaupt Aussagen treffen können und worüber nicht. Zur Beantwortung der letzteren beiden Fragen ist Quellenkritik nötig. 

Quellenkunde & Quelleneditionen

Da an dieser Stelle keine umfassende Auflistung von Quellen erfolgen soll, empfehlen wir Ihnen, die rezente Publikation von Rhode/Wawra durchzusehen. Sie finden darin verschiedene Beispiele für Quellenanalysen, die nach Epochen gegliedert sind:

Weiters können Sie sogenannte Quellenkunden konsultieren, um Hilfe bei der Arbeit mit unterschiedlichsten Typen von Quellen zu erhalten. Quellenkunden finden Sie zum Beispiel im "Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte" von Winfried Baumgart angeführt, dessen Schwerpunkt zwar auf der deutschen Geschichte liegt, das aber auch Quellenkunden zur österreichischen Geschichte wie zur Geschichte der Habsburgermonarchie enthält. 

  • Winfried Baumgart, Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte. Hilfsmittel, Handbücher, Quellen, 18., überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 2014 (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen 5, Stuttgart 2010).

Quellenkunden finden Sie zunehmend auch als digitale Angebote. Exemplarisch seien hier die Folgenden genannt:

Gerade am Anfang Ihres Studiums wird es oft vorkommen, dass Sie Quellen nicht im Original einsehen, sondern in Form von sogenannten Quelleneditionen. Die oft sehr aufwändige und langwierige Verfertigung solcher Zusammenstellungen von Quellen, die nicht nur deren Auffinden, Sichtung, Beschreibung und Transkription erfordert, sondern auch deren sorgfältige Kommentierung, ist eine der wichtigsten Grundlagenarbeiten, die Historiker*innen für die Forschung leisten. Manche dieser großen Editionsprojekte - etwa die Monumenta Germaniae Historica ↗ oder die Edition der Reichstagsakten ↗ - wurden bereits im 19. Jahrhundert begonnen und dauern bis heute an. Im angeführten Bücherverzeichnis von Baumgart finden Sie auch eine Auflistung solcher Quelleneditionen. Neben den herkömmlichen Druckfassungen werden diese zunehmend in digitaler Form erstellt.

Ein Beispiel für eine zuletzt am Institut für Österreichische Geschichtsforschung erstellte Edition ist das Folgende:

  • Die Register Innocenz' III. 14. Band, 14. Pontifikatsjahr 1211/1212. Bearb. von Andrea Sommerlechner gemeinsam mit Othmar Hageneder, Till Hötzel, Rainer Murauer, Reinhard Selinger und Herwig Weigl (= Publikationen des historischen Instituts beim Österreichischen Kulturforum in Rom, II. Abteilung, Quellen, 1. Reihe, 14). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2018. Digitaler unter: http://www.austriaca.at/8109-5inhalt?frames=yes ↗

Wo sind Quellen zu finden?

Die Antwort auf diese Frage ist denkbar einfach: Theoretisch überall. Denn Quellen sind all das, woraus Erkenntnisse über die Vergangenheit gewonnen werden können und was Historiker*innen dazu heranziehen. Sie können streng genommen überall entdeckt werden - am verstaubten Dachboden genauso wie im Stadtraum. Aber natürlich gibt es geläufige Orte, an denen Sie Quellen für Ihre wissenschaftliche Arbeit recherchieren können, ohne erst alte Dachböden durchkämmen zu müssen. Neben Archiven gibt es etwa die oben erwähnten Quellenkunden und Quelleneditionen sowie zahlreiche digital Angebote. Ausführliche Informationen dazu finden Sie im Modul "Quellenrecherche".

Quellenkritik

Bei der geschichtswissenschaftlichen Arbeit mit Quellen ist die sogenannte "Quellenkritik" immer miteinzubeziehen. Sie wurde im Abschnitt "Methoden" als Teil der Trias "Heuristik, Quellenkritik, Interpretation" bereits kurz erwähnt und im folgenden Unterabschnitt "Quellenkritik" ausführlicher thematisiert.

Literatur

  • Winfried Baumgart, Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte. Hilfsmittel, Handbücher, Quellen, 18., überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 2014 (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen 5, Stuttgart 2010), S.124-125 zu Schwerpunkt von Baumgarts Bücherverzeichnis und dortigen Quellenkunden zu österreichischer Geschichte und Geschichte der Habsburgermonarchie. 
  • Stefan Jordan, Einführung in das Geschichtsstudium, Überarbeitete und erweiterte Ausgabe 2019, (2019), S.76 zu Quellenkunden als Hilfe bei der Arbeit mit Quellen und zu Baumgarts Bücherverzeichnis.
  • Maria Rhode/Ernst Wawra, Quellen und Quellenkritik im Geschichtsstudium, in: Maria Rhode/Ernst Wawra (Hg.), Quellenanalyse. Ein epochenübergreifendes Handbuch für das Geschichtsstudium (2020), S.14–30, hier S.23 zu "1. Alles, aus … [...] der ursprünglichen Intention." sowie zu Ausführungen zum Zeitungsartikel-Beispiel zu Quellen und zu Definition des Begriffs Quelle. Online-Zugang: https://www.utb.de/doi/book/10.36198/9783838551128 ↗ [über u:access ↗].