Wissenschaftssprache

Wissenschaftliche Texte sollten nicht nur inhaltlich überzeugend, sondern auch in einer dem Thema angemessenen Sprache verfasst sein. Sie müssen sich vor allem präzise und prägnant ausdrücken, um Leser*innen Ihre Standpunkte klar zu vermitteln und sie von Ihrer Argumentation zu überzeugen.


Was Sie vermeiden sollten

Ein häufiger Fehler von ersten Arbeiten ist es, Sprache zu verkomplizieren, weil man bisher gelesene wissenschaftliche Texte schwer verständlich fand. Das Ziel von Wissenschaft sollte jedoch das genaue Gegenteil sein. Sie sollen komplizierte Sachverhalte verständlich darstellen, nicht einfache Sachverhalte komplizierter machen. Anbei finden Sie grundlegende Tipps, die in der Schreibwerkstatt mit Übungsbeispielen unterlegt sind.

Aktiv statt Passiv

Passivkonstruktionen sind beim Schreiben sehr beliebt, da sie den Anschein von Objektivität erwecken. Für Lesende wirken diese Formulierungen aber oft schwerfällig und kompliziert, besonders in langen Sätzen. Vermeiden Sie also Konstruktionen wie "Es kam zu..." oder "Es ist festgestellt worden..." und ziehen Sie aktive Formulierungen passiven vor.

Nominalisierungen auflösen

Ebenfalls beliebt sind Substantivierungen,. Im Glauben, der Text erscheint dadurch wissenschaftlicher, werden Adjektive oder Verben in Substantive verwandelt. Oft führt das aber zu verschachtelten Sätzen und kompliziert wirkender Ausdrucksweise:

"Der Angriff auf das Unionsfort Sumter durch die südstaatlichen Konföderierten am 12. April 1861 erfolgte, nachdem sie im Vorfeld die Erklärung ihrer Unabhängigkeit verkündeten."

Klarer und einfacher formuliert:

"Die südstaatlichen Konföderierten erklärten ihre Unabhängigkeit und griffen am 12. April 1861 das Unionsfort Sumter an."

 

Schachtelsätze auflösen

Mit den bisherigen Anmerkungen kann man unnötige Verschachtelungen eines Satzes auflösen, die den Lesefluss stören. Je länger ein Satz, so schwerer verständlich werden Passivkonstruktionen, sollten diese nicht vermieden werden können. Geht ein Satz über drei oder mehr Zeilen hinaus, können Sie wahrscheinlich Platz für einen Punkt finden. Passen Sie zudem bei Sätzen mit vielen Teilen auf. Die wichtigste Aussage sollte im Idealfall vor dem ersten Komma stehen, Kontextwissen in den nachfolgenden Satzteilen. 

Entschlackungen

Versuchen Sie während Ihren Überarbeitungen Formulierungen oder Wörter zu kürzen, falls es sich anbietet. Schreiben Sie beispielsweise "Zudem..." statt "Hinzu kommt, dass...", "Anscheinend" statt "Es hat den Anschein, dass...", "vorwerfen" statt "zum Vorwurf machen", oder "Problem" statt "Problemstellung".

Füllwörter streichen

Man neigt gerne zu gewissen Füllwörtern, die einen Satz weder stilistisch noch inhaltlich aufwerten. Begriffe wie "eigentlich", "auch", "praktisch", "überhaupt", "also", "eben", "ja", "ergo", "so", oder "schließlich" können häufig gestrichen werden. Räumen Sie Ihre Sätze auf, indem sie Wörter herausziehen, die für die Aussage nicht relevant sind.

Begründen von Aussagen

Die Versuchung, Wörter wie "selbstverständlich", "bekanntlich", "zweifelsohne" oder Phrasen wie "Es liegt auf der Hand..." in einen Text einfließen zu lassen ist groß. Für Ihre Leser*innen ist jedoch nichts "selbstverständlich" oder "auf der Hand liegend". Vermeiden Sie also diese "feine Art von Repression durch den Autor" (Standorp, Meyer 1998:185) und begründen alle "Selbstverständlichkeiten" mit Argumenten und Belegen.

Fachbegriffe

Die oben genannten Vermeidungen bedeuten nicht, dass Sie sich simpel ausdrücken sollen. Sie werden komplizierte Phänomene und Prozesse beschreiben, die präzise Begriffe und Definitionen benötigen. Benutzen sie konkrete Begriffe, also "Fresko" statt "Bild", oder "Grabenschlacht" statt "Gemetzel" und "Panopticon" statt "Gefängniskonzept". Vermeiden Sie schwammige Aussagen wie "Der Kirchturm war groß" und bleiben konkret wie "Der Kirchturm war mit einer Höhe von 110 Metern deutlich größer als vergleichbare Bauten dieser Zeit, die durchschnittlich nicht höher als 70 Metern gebaut wurden".

Definitionen

Bereits im Exposé sollten Sie grundlegende Definitionen festlegen, die für Ihre Argumentation ausschlaggebend, aber potentiell zweideutig sind. Begriffe wie "Diskurs" oder "Narrativ" können je nach Arbeit unterschiedlich verstanden werden. Erklären Sie Ihre Auslegung und behalten Sie die Bezeichnung durch den Gesamttext bei. Fortgeschrittene Texte bilden eigene Begriffskombinationen, die das untersuchte Phänomen präziser beschreiben. Häufig werden Sie gewisse Definitionen von anderen Forscher*innen ausborgen, die Sie aber dann mit Zitierungen belegen müssen. Schreiben Sie beispielsweise vom "kulturellen Gedächtnis im Sinne Assmans", so zitieren Sie genau, woher Sie diese Definition bei Assman herleiten.

Selbstnennung ("Ich")

Nach wie vor ist die Selbstnennung - also das "Ich" im Text - eine umstrittene Frage. Grundsätzlich gilt bei wissenschaftlichen Arbeiten, subjektive Formulierungen ("Ich vermute, es stimmt...") zu vermeiden. Handelt es sich jedoch um Ihren eigenen Gedankengang, der sich bewusst und begründet von anderen Forschungsaussagen unterscheidet, verwenden Sie besser "ich", anstatt sich in komplizierte Passivkonstruktionen wie "Es wird vertreten, dass..." zu verstricken.

Es besteht kein Grund, sich hinter Objektivität vortäuschenden Konstruktionen zu verstecken, wenn Sie etwas fundiertes und gut begründetes zu Ihrem Thema zu sagen haben. Hauptsächlich gilt es erzählerischen Jargon zu vermeiden, wie "Die Forschungsfrage ist interessant, weil ich schon immer gerne in alten Burgen spazieren gegangen bin". Als Verfasser*in des Textes können Sie hervortreten, wenn Sie eine eigenständige These oder Definition anführen. Am häufigsten dient das "Ich" der Präzision, wenn man Leser*innen entlang des roten Fadens führt (z.B. "Auf diese Argumentation werde ich im nächsten Kapitel eingehen"). Alternativ verwenden manche Texte den Plural, beispielsweise mit Phrasen wie "Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden" (was nicht mit wortwörtlichen Selbstnennungen im Plural zu verwechseln sein soll). Erkundigen Sie sich dabei idealerweise ebenfalls, ob Ihre Betreuer*innen damit einverstanden sind.

Gender-gerechte Sprache

Bitte verwenden Sie für Ihre Texte eine gender-gerechte Sprache. Üblicherweise bleibt an der Universität der Syntax Ihnen überlassen, je nachdem ob Sie ein großes "i" ("HistorikerInnen"), ein Sternchen ("Historiker*innen") oder beispielsweise Schrägstriche ("Historiker/Innen") bevorzugen. Fragen Sie bei Unsicherheit nach, ob es für Ihre Kursarbeit bestimmte Regeln diesbezüglich gibt. Für andere Auftraggeber*innen ist wiederum auf jeden Fall die Art des Genderings für den Text zu erfragen, da Verlage u.a. wie bei den Zitierregeln spezifische Syntax-Systeme verlangen. 

Zeit

Für die Darstellung vergangener Sachverhalte wird in historischen Texten oft der Imperfekt bzw. Präteritum verwendet. Bei theoretischen Fragen und Erörterung von Sekundärliteratur wiederum Präsens. Wichtig ist jedoch vor allem, dass die von Ihnen gewählte zeitliche Darstellung durch den Text hindurch einheitlich bleibt.

"Stylish Academic Writing"

Am Beginn der eigenen wissenschaftlichen Schreibkarriere glauben einige Autor*innen womöglich, ein geschichtswissenschaftlicher Text müsse besonders trocken und sprachlich kompliziert sein. Aber das ist ein Vorurteil, das zu jenen stilistischen Redundanzen führt, die Sie vermeiden sollten. Die oben angeführten Tipps machen Ihren Text womöglich nicht nur prägnanter, sondern auch interessanter zu lesen.

Anbei können Sie sich einen Vortrag von Helen Sword zu "Stylish Academic Writing ↗" ansehen, in der sie die Debatte rund um die vermeintlich richtige Wissenschaftssprache aufgreift.