Dokumentieren

Abhängig von der Zielsetzung können Sie Ihre Lesearbeit recht unterschiedlich dokumentieren. Während die Gelehrten vergangener Jahrhunderte ausgeklügelte Dokumentationssysteme mittels Papier, Notizbücher, Zettel, Karteikarten und Schränken benützten, wird heute kaum jemand mehr ausschließlich analog dokumentieren; je nach Vorliebe und technischen Kenntnissen werden analoge und digitale Methoden des Dokumentierens gemischt.

Bevor Sie mit dem genauen und detaillierten Lesen beginnen, sollten Sie sich jedenfalls über die weitere Verwendung der Lektüreergebnisse im Klaren sein. Wollen Sie 'nur' eine kurze Rezension eines Textes schreiben? Ist die Lektüre Teil einer längeren Literaturarbeit für ein Proseminar oder einen Kurs? Oder geht es vielleicht um ein umfangreicheres Themenfeld etwa einer Abschlussarbeit? 

In allen nachfolgend vorgestellten Dokumentationsformen bedeutet wissenschaftlich zu lesen in der Praxis schreibend zu lesen und sich auf diese Weise gedanklich mit einem Text auseinanderzusetzen. Das heißt auch, die Lektüreergebnisse festzuhalten und die entsprechenden Textpassagen wiederauffindbar zu machen. Dabei können unterschiedliche Dokumentationsformen eingesetzt werden, die bezüglich des Aufwandes, der Wiederauffindbarkeit der Information, der Wiederverwendung und der eingesetzten Medien deutlich differieren.


Wozu dokumentieren?

Das Gedächtnis ist üblicherweise von der Text- und Informationsfülle, die man in wissenschaftlichen Werken findet, schlichtweg überfordert. Es ist recht mühsam, den Aufbau, die Struktur und den Inhalt eines Buches zu durchschauen. Wer einen komplexeren wissenschaftlichen Text 'einfach nur so' durchliest, wird auch kaum in der Lage sein, alle relevanten Aussagen herauszufinden. Ähnlich verhält es sich mit den herkömmlichen Dokumentationsformen wie Kopieren und Unterstreichen, die bei umfangreicheren wissenschaftlichen Arbeiten sehr schnell an Ihre Grenzen stoßen.

Für das wissenschaftlichen Lesen und Dokumentieren haben sich deshalb Methoden und Techniken entwickelt, mit denen man Texte systematisch erschließen und die Lektüreergebnisse für die weitere Arbeit aufbereiten kann.

Folgende Fragen sollten sie bei der Wahl einer wissenschaftlichen Dokumentationsform im Auge habe.

Wird/werden durch die gewählte Dokumentationsform...

...die Lektürearbeit inhaltlich und formal unterstützt,

...die Leseergebnisse gespeichert,

...die Kommentare der Leser*in aufgenommen,

...die Fundstellen ausgewiesen,

...die Leseergebnisse leicht zugänglich gemacht? 

Markierung

Bei der Textmarkierung werden 'wichtige' Textstellen auf Papier mit einem Farbmarker oder Stift angestrichen beziehungsweise in einem elektronischen Dokument mit der entsprechenden Funktion hervorgehoben. Textmarkierung ist sicherlich die von Studierenden am häufigsten angewandte Form der Textarbeit und Dokumentation. Sie ist deshalb so beliebt, weil sie relativ einfach zu handhaben ist und man bei der Lektüre das Gefühl bekommt, den Text tatsächlich 'bearbeitet' zu haben.

Vorteil: Mit dieser Methode lassen sich – etwa durch unterschiedliche Farben – rasch die Aussagen eines Textes markieren und sind innerhalb einer Seite leicht wieder auffindbar.

Nachteil: In einem längeren Text auf Papier können Sie die gesuchten Passagen (selbst bei einem detaillierten Inhaltsverzeichnis) nur schwer wieder auffinden. Bei schriftlichen Arbeiten auf der Basis vieler (markierter) Bücher und Artikel verlieren Sie überhaupt schnell den Überblick. Sie haben bei dieser Technik auch keine Möglichkeit, Themengebiete zu gruppieren oder zu sortieren. Diese Technik verführt leicht zur 'Anstreichsucht', wobei die Frage, welche Aussage wichtig und zentral ist, in den Hintergrund gerät.

Anbei zwei Beispiele aus: Erwin Faber u. Imanuel Geiss, Arbeitsbuch zum Geschichtsstudium. Einführung in die Praxis wissenschaftlicher Arbeit, 3. Auflage, Wiesbaden 1996, 23 und Friederike Neumann, Schreiben im Geschichtsstudium, Opladen u. Toronto 2018, 43.

Randglossen

Mit Randglossen notieren Sie die 'wichtigen' Aussagen einer Textpassage am Rand des Textes oder halten dort Kommentare zu Ihrer Lesearbeit fest.

Vorteil: Gegenüber der Textmarkierung müssen Sie bei Randglossen den Text insofern intensiver verarbeiten, als hier Aussagen komprimiert wiederzugeben sind. Durch Glossen kann man auch die verwendeten Textsorten kommentieren – etwa durch Kürzel wie "Def." (Textpassage enthält Definition), "Bsp." (hier findet sich ein Beispiel) und ähnlichem. Mit dieser Dokumentationsform lassen sich innerhalb weniger Seiten wichtige Passagen halbwegs rasch wieder finden.

Nachteil: Bei längeren Texten auf Papier lassen sich auch bei einem detaillierten Inhaltsverzeichnis Passagen nur schwer wieder auffinden. Bei vielen markierten Büchern und Artikeln verlieren Sie schnell den Überblick. Themengebiete können Sie mit dieser Technik nicht gruppieren oder sortieren.

Beispiel aus: Wolfgang Schmale, Hg., Schreib-Guide Geschichte. Schritt für Schritt wissenschaftliches Schreiben lernen, Wien, Köln u. Weimar 1999, 51.

Exzerpt

In einem Exzerpt notieren Sie den Aufbau und die wichtigsten Aussagen und Thesen eines Texts. Der Umfang und die Detailgenauigkeit eines Exzerpts hängen davon ab, ob Sie den Text nur für eine bestimmte Frage benötigen oder mit ihm noch in einem anderen Zusammenhang arbeiten wollen. Im letzteren Fall sollten Sie eher ein ausgewogenes und detailliertes Exzerpt erstellen. Fundstellennachweise geben Ihnen die Möglichkeit, rasch zu bestimmten Textstellen zurückzukehren und sie noch einmal genauer zu studieren. 

Vorteil: Mit einem Exzerpt können Sie auch größere Textmengen, etwa ein ganzes Buch dokumentieren, ohne dass dabei der Gesamtzusammenhang verloren geht. Selbst nach langer Zeit können Sie sich durch eine kurze Lektüre wieder den Inhalt eines Buches erschließen. Beim Abfassen eines Exzerpts lernen sie auch den Aufbau und die 'Schwachstellen' eines Textes genau kennen.

Nachteil: Ein Exzerpt ist eine sehr aufwendige Form der Dokumentation.

Hier können Sie ein Beispiel für ein genaues Exzerpt des Artikels "Andreas Rutz, Ego-Dokument oder Ich-Konstruktion? Selbstzeugnisse als Quellen zur Erforschung des frühneuzeitlichen Menschen ↗, in: Zeitenblicke 1 (2002), Nr. 2 ↗ (20.12.2002)" aufrufen; sollte der Link zum Artikel von Rutz nicht funktionieren, rufen Sie bitte dessen Spiegelung im Internet Archive ↗ (Version 27.6.2019) auf!

Ein Journal schreiben

Ein Journal ist eine Mischung aus Tagebuch und wissenschaftlichem Schreiben. Darin werden - oft handschriftlich in einem Notizblock, oder in einem digitalen Dokument -  Reflexionen, Sprachmaterialien für die Entstehung eines Textes (oder auch einer mündlichen Präsentation) festgehalten und gesammelt. Dazu können auch Arbeits- und Lerneindrücke und -schwierigkeiten kommen; Fragen und Probleme im Umgang mit einem Lerngegenstand, Lektüreeindrücke usw.

Die Niederschrift und Reflexion hilft dabei die Ideen zu ordnen, zu formulieren und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zugänglich zu machen - möglicherweise hilft Ihnen ein Journal gegen Schreibblockaden. Grundsätzlich sollte man alles, was den persönlichen und wissenschaftlichen Umgang mit einer Fragestellung befördern kann in ein Journal schreiben: Beobachtungen, Spekulationen, Fragen, Selbstreflexionen, Querverbindungen zwischen Wissenschaft, Studium und privatem Leben, Revisionen früherer Ideen, etc.

Bei Journalschreiben können Ideen im Privaten reifen und (halb)fertig werden für die Veröffentlichung in Lehrveranstaltungen. Journalschreiben hilft auch die Angst vor dem leeren Blatt zu überwinden und Schreibblockaden zu vermeiden. Journale können Teil von Lehrveranstaltungen sein, indem die Lehrenden die wissenschaftlichen Teile im Dialog kommunizieren und kommentieren.

Eine Variante des Journals ist das Forschungslogbuch: Es ist ein Journal, in dem man den Fortgang der Forschungsarbeit, die Weiterentwicklung des Themas, die Entwicklung der Texte festhält und reflektiert.