Archivrecherche
Allgemeines
"Eine Geschichtswissenschaft, die nicht auf Quellen beruht, ist keine Wissenschaft" hat Leo Santifaller einst kategorisch erklärt. In der Tat können Archive als Orte, wo diese Quellen zum Großteil verwahrt werden, als "Werkstätten des Historikers" angesprochen werden. Vor allen anderen Wissenschaftsbereichen soll daher den Studierenden der Geschichtswissenschaften das Handwerk zu Eigen sein, mit historischen Quellen umgehen und aus ihnen Erkenntnisse gewinnen zu können. Für die Recherche an den Quellen in Archiven sind gewisse Fertigkeiten notwendig, die den Studierenden im Laufe des Geschichtsstudiums vermittelt werden. Aus dem Kanon der Historischen Hilfswissenschaften sind insbesondere Kenntnisse der Paläographie notwendig, um das Geschriebene erst entziffern zu können. Je nach Forschungsgebiet sind weiters Kenntnisse der Diplomatik, der Chronologie, der Verwaltungsgeschichte, der Aktenkunde, der Sphragistik etc. notwendig, um möglichst umfassende Erkenntnisse aus den Quellen gewinnen zu können. Für Arbeit an archivalischen Quellen sind daher gewisse Regeln zu beachten, die es ermöglichen, eine Recherche möglichst effizient und gewinnbringend zu gestalten.
Forschungsfrage und Forschungsstand
Am Beginn jeder Forschung steht das Ausformulieren einer Fragestellung. Dabei ist eine zielorientierte Ausarbeitung der Forschungsfrage zu beachten, denn es ist ein Unterschied, ob man für ein Forschungsseminar, eine Diplomarbeit oder eine Dissertation an Quellen forscht. Wichtig ist stets auch, das Thema einzugrenzen. Häufig passiert der Fehler, dass man ein zu breites Thema wählt und sich dann damit an die Archive wendet. Bei umfassenderen Forschungsvorhaben empfiehlt es sich, diese in einzelne Teilfragen aufzusplitten.
Wenn man etwa ein Forschungsthema "Martin Luther" wählt und sich damit in die Arbeit stürzt, so wird einem schnell bewusst, dass man alleine diesem Thema ein ganzes Forscherleben widmen kann - wohl ohne am Ende jeden Aspekt ausführlich behandelt zu haben. Wesentlich erfolgsversprechender ist es dagegen, wenn man das große Thema auf einen bestimmten Aspekt einengt, etwa das "Widerstandsrecht bei Martin Luther aufgrund seiner Zirkulardisputation über Matth. 19,21 aus dem Jahre 1539" (diesen Titel trägt etwa eine 111 Seiten starke Diplomarbeit von Michael Rech aus dem Jahr 1991).
Wie sich aus dem Beispiel unschwer erkennen lässt, fußt eine gute Forschungsarbeit auf dem soliden Fundament der Literaturrecherche. Erst wenn man zu einem Thema die wesentliche Literatur durchgearbeitet hat, wird man die Bandbreite an möglichen Fragestellungen erkennen können. Die Kenntnis des Forschungsstands hilft jedoch auch den Fehler zu vermeiden, unwissentlich zu bereits publizierten Themen zu forschen oder gar für bereits edierte Quellen eine aufwändige Archivreise zu unternehmen. Das Einarbeiten in das Thema anhand der Literatur hilft weiters beim Lesen der Quellen, denn Orts- oder Personennamen bieten erfahrungsgemäß weniger Schwierigkeiten, wenn man sie vorher schon einmal gelesen hat. Nicht zuletzt wird man nur dasjenige in den Quellen erkennen können, worüber man bereits Kenntnisse besitzt.
Kenntnisse und Fähigkeiten für die Archivrecherche
Wenn es das gewählte Thema erforderlich macht an archivalischen Quellen zu forschen, so ist dabei zu bedenken, dass gewisse Fertigkeiten bzw. Fähigkeiten für das Lesen und Erfassen der Quellen unerlässlich sind. Als erstes wäre dabei die Fähigkeit zu nennen, alte Schriften entziffern zu können. Entsprechende Kenntnisse der Paläographie sind für das Lesen mittelalterlicher und neuzeitlicher Quellen unabdingbare Voraussetzung. Auch bei "modernen" Archivalien (20. Jahrhundert) kommt es nicht selten vor, dass die Schreiber*innen beispielsweise eine Form der Kurrentschrift verwenden.
Weiters sind die erforderlichen sprachlichen Kompetenzen mitzubringen: Forschungen an mittelalterlichen Quellen ohne entsprechende Lateinkenntnisse sind nur bedingt möglich, bei neuzeitlichen Quellen sind je nach Forschungsbereich insbesondere Französisch, Italienisch oder Spanisch Sprachen, die auch bei Quellen in österreichischen Archiven begegnen können. Für das Verständnis älterer deutschsprachiger Quellen sind grundlegende Kenntnisse des Mittel- bzw. des Frühneuhochdeutschen sicherlich förderlich.
Für das vollständige Erfassen der Quellen müssen weiters die entsprechenden Fähigkeiten aus dem Kanon der Historischen Hilfswissenschaften vorhanden sein. So ist beispielsweise ein Arbeiten an Urkunden ohne zumindest grundlegende Kenntnisse der Diplomatik oder der Chronologie nicht vorstellbar.
Das Aneignen bzw. Einüben der erforderlichen Kompetenzen und Kenntnisse ist notwendig, bevor man sich in ein Archiv begibt. In einzelnen Punkten ist es zwar immer möglich, die Archivare um Hilfe zu bitten, etwa bei schwer leserlichen Passagen. Da es aber in der Regel nicht zu deren Aufgabenbereich gehört, seitenweise Transkriptionen von Archivalien für Archivbenutzer zu erstellen, werden diesbezügliche Anfragen nur selten auf Gegenliebe stoßen.
Auswahl der in Frage kommenden Archive
Ausgestattet mit dem handwerklichen Rüstzeug, der forschungsleitenden Frage sowie der Forschungsliteratur zum Thema begibt man sich in einem nächsten Schritt auf die Suche nach den relevanten Archivalien und somit auf die Suche nach den Archiven, wo diese verwahrt werden. Aus der Forschungsliteratur wird man einen ersten Überblick bekommen haben, wo sich interessante Bestände befinden könnten. Eine gründliche Durchsicht der in der Regel in den Fußnoten ausgewiesenen Quellenbelege sowie der bei Publikationen im Anhang genannten verwendeten Archivalien ist somit ein erster Anhaltspunkt für die eigene Recherche.
Der zweite Punkt ist das Eruieren von archivischen Zuständigkeitsbereichen. Für die schriftliche Überlieferung einer Stadt ist in der Regel das Stadtarchiv, für eine Pfarre das Pfarrarchiv, für eine Universität das Universitätsarchiv u.s.w. zuständig. Aus historischen Gründen können jedoch diese Zuständigkeiten variieren. Im Zuge der josephinischen Reformen etwa wurden zahlreiche Klöster aufgehoben und die Archivalien kamen teilweise an andere Klöster. So kamen die Archivalien des Augustiner-Chorherrenstiftes St. Dorothea in Wien nach seiner Aufhebung an das Stift des gleichen Ordens in Klosterneuburg. Viele Adelsarchive werden häufig als so genannte Deposita an Landesarchive zur dauerhaften, fachgerechten Verwahrung übergeben. Als drittes seien noch Nachlässe von bedeutenden Personen genannt, die ebenso häufig als Deposita oder Schenkungen an verschiedenste Archive kommen konnten, etwa an das Archiv der Heimatstadt oder bei bedeutenderen Persönlichkeiten an Landes- oder Bundesarchive. Suchstrategien müssen also auch diese Umstände berücksichtigen.
Ein weiterer Anhaltspunkt ist die so genannte Abgabepflicht, die besonders bei Bundes- und Landesarchiven besteht. Dabei müssen die Behörden die für den aktuellen Geschäftsgang nicht mehr benötigten Unterlagen dem zuständigen Archiv übergeben.
Archive online
Bei der Suche nach Archiven helfen zahlreiche Onlineangebote - diese werden auf den nächsten Seiten unter Archive in Österreich sowie Archive weltweit vorgestellt. Als älteres gedrucktes Verzeichnis ist insbesondere das in der Minerva-Reihe erschienene Handbuch zu nennen: Minerva-Handbücher. Archive. Archive im deutschsprachigen Raum (Berlin/New York ²1974). Trotz der großteils veralteten Kontaktadressen bietet es nützliche Erstinformationen, da die Beiträge zu den Archiven stets eine kurze Beschreibung der dort verwahrten Bestände geben.
Archivfindmittel
Hat man einmal die in Frage kommenden Archive eruiert, so hat man noch immer nichts konkret darüber erfahren, ob dort nun Archivalien zum Forschungsthema vorhanden sind oder nicht. Im Zuge der Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten der Archivare entstehen jedoch verschiedene Findmittel, die von unterschiedlicher Ausführlichkeit sein können. Entsprechend dem Zeitpunkt ihrer Entstehung muss der Benutzer dabei mit unterschiedlichen Medien bzw. Formen rechnen. Die Findmittel können nämlich als Karteikasten, hand- oder maschinengeschriebene Verzeichnisse, gedruckte Bücher oder elektronische Datenbanken vorliegen - auch wenn Hinweise auf die Bestände zunehmend in online abrufbaren "Archivinformationssystemen" zugänglich sind, gerät eine Archivrecherche oft zu einer Reise in die Vergangenheit historischer Ordnungsysteme, deren Kenntniss für eine erfolgreiche Suche von großer Bedeutung sein kann. Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass manche dieser Findmittel von außerhalb des Archivs benutzbar sind, manche jedoch sind nur im jeweiligen Archiv vorhanden. Gewöhnlich ist für eine detaillierte Durchsicht aller vorhandenen Findmittel der Besuch im Archiv selbst notwendig - manchmal sind auch bestimmte Datenbanken nur vor Ort benützbar.
Ungeachtet des Mediums sollen im Folgenden kurz die verschiedenen Typen von Findmitteln vorgestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass diese Findmittel nicht in jedem Archiv vorhanden sind, sondern je nach Größe und personeller Ausstattung des Archivs variieren können. In der Regel haben Bundes- und Landesarchive sehr ausführliche Verzeichnisse und bereits elektronische Archivinformationssysteme für ihre Bestände, während bei kleinen und Kleinstarchiven – wenn überhaupt – oft nur Findmittel aus den Registraturen, etwa Aktenpläne, vorhanden sind. In diesem Fall sind dort die zuständigen Archivare die einzige – und oft nicht die schlechteste – Auskunftsmöglichkeit. In jedem Fall ist mit einer Mischung von alten und neuen Findmitteln zu rechnen.
Bestandsübersicht
Einen ersten Überblick verschaffen die Bestandsübersichten, die über die Ordnung des jeweiligen Archivs informieren. Also konkret über die systematische Gliederung und Reihung seiner Bestände, in der Fachsprache Tektonik genannt. Diese Gliederung beruht in der Regel auf dem Provenienz- bzw. Herkunftsprinzip. Archive mit einer eigenen Homepage bieten darauf meist kurze Bestandsübersichten an. Bei den einzelnen Bestandsgruppen befinden sich dazu meist Bestandsbeschreibungen, die über Umfang, Inhalt und Zeitraum des Bestandes informieren.
Beispiel
Das Stadtarchiv Linz bietet unter https://stadtgeschichte.linz.at/archiv.php ↗ Informationen über das Archiv. Unter "Bestände ↗" erhält man eine Übersicht über die Bestandsgruppen. Klickt man etwa auf den Bestand "Altes Archiv ↗" und dort auf "Altakten ↗", so öffnet sich eine Seite mit einer Liste der einzelnen Teilbestände, wie etwa Gerichtswesen, Kultusangelegenheiten, Bürgerschaft oder sanitäre Fürsorge und Armenwesen. Bei einigen Teilbeständen gibt es auch schon ausführlichere Bestandsbeschreibungen, beispielsweise beim Bauwesen.
Findbuch/Repertorium
Die Bestandsübersicht bietet in der Regel einen ersten, allgemeinen Anhaltspunkt über die im Archiv verwahrten Bestände. Konkretere Informationen bietet dagegen das Findbuch, auch Repertorium genannt. Findbücher sind so etwas wie die "Landkarte eines Archivs" und zeigen den Weg durch einen Bestand bis hin zu den einzelnen Verzeichnungseinheiten, meist Akten oder Urkunden. Je nach Erschließungstiefe können aber auch einzelne oder mehrere Archivkartons die unterste Stufe der Verzeichnungseinheit bilden. In diesem Fall sind die Archivare noch nicht mit der Erschließung fertig geworden und der Benutzer muss mit der Durchsicht von größeren Mengen an Archivalien rechnen.
Der idealtypische Aufbau eines Findbuches sieht wie folgt aus:
Findmittel aus den Behörden und Registraturen
In der Regel, insbesondere bei jüngeren Beständen, ist davon auszugehen, dass die Erschließung noch nicht abgeschlossen ist bzw. aus ökonomischen Gründen nicht auf die Ebene der Einzelakten geführt werden konnte. Grund dafür ist das Behördenschriftgut, das spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts massenhaft in die Archive strömte und nicht mehr in der gewohnt detaillierten Form verzeichnet werden konnte. Zu solchen Beständen gibt es in der Regel kein Findbuch und sie sind oft nur über zeitgenössische Hilfsmittel zugänglich. Dazu zählen insbesondere Indices, Protokolle, Karteien oder Aktenpläne aus den Behörden und Registraturen. Wenn jegliche Erschließung fehlt, sind oft auch Übernahmeprotokolle oder Abgabelisten hilfreich, die von den Behörden bei der Übergabe von Schriftgut an das Archiv erstellt wurden.
Das Bild zeigt ein Findmittel aus der Behörde: Mittels Zettelkasten wurden Pläne und Karten verzeichnet und diese selbst mit dem Zettelkasten an das Archiv übergeben. Heute dient er als Findmittel im Archiv.
Datenbanken und Archivinformationssysteme
In den letzten Jahren- und Jahrzehnten haben insbesondere die größeren Archive so genannte Archivinformationssysteme angekauft und implementiert. Organisch entstanden sind sie aus einfachen EDV-Datenbanken, die klassische Verzeichnungsformen einfach in ein elektronisches Medium überführt haben. Im Laufe der Weiterentwicklung sind ganze Archivinformationssysteme entstanden, die die Archivare bei allen Schritten ihrer täglichen Arbeit unterstützen und für die Erschließung und Verzeichnung von der Urkunde bis zum elektronischen Akt geeignet sind. Neben den online verfügbaren Archivinformationssystemen gibt es aber auch noch Datenbanken, die nur an den PCs im Archiv abgefragt werden können und die gleichsam ein Findbuch in elektronischer Form darstellen.
Für den Benutzer bieten elektronische Systeme die oft angenehmste Art der Recherche, da diese mittels Volltextsuche und Boolschen Operatoren bequem durchforstet werden können. Es ist jedoch zu beachten, dass bei dieser Art der Suche lediglich Begriffe gefunden werden können, die in dieser Form von Archivaren vergeben wurden. Es empfiehlt sich daher in jedem Fall, eine Suche über die Bestände und die Tektonik durchzuführen.
Gedruckte Inventare, Regesten, Editionen, Archivführer
Nicht zuletzt gibt es auch eine Vielzahl von Inventaren, Regesten oder Editionen von Teilbeständen bzw. insbesondere von Sammlungen in Archiven. An erster Stelle sind hier natürlich die Urkunden zu nennen, die je nach Alter und Bedeutung meist (teilweise) in Editionen, also in Volltextausgaben vorliegen. Da die Zahl der Urkunden im Spätmittelalter explosionsartig zunimmt, gibt es zu diesen bestenfalls Regestenwerke, in denen eine Kurzfassung des Inhalts nach bestimmten Regeln enthalten ist.
Zu bedeutenden oder häufig nachgefragten Beständen eines Archivs gibt es auch oft gedruckte Inventare. Nicht unüblich sind auch bestands- oder gar institutionenüberübergreifende Inventare, die die wesentlichen Archivalien zu einem bestimmten Thema vereinen.
Als Beispiele für institutionenübergreifende Inventare seien hier zwei genannt:
Beispiele
Christiana Abele, Heinz Boberach (Hg.), Inventar staatlicher Akten zum Verhältnis von Staat und Kirchen 1933-1945 (Kassel 1987-88).
Heinz Boberach (Hg.), Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates. Die Überlieferung von Behörden und Einrichtungen des Reichs, der Länder und der NSDAP (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte 3/1-2, München/New York 1991-95).
Vorbereitung des Archivbesuchs
Hat man nun ein Archiv als Verwahrungsort von Archivalien ausfindig gemacht, die für das Forschungsthema relevant sind, und die verfügbaren Informationen zu den Beständen gesichtet, kann man sich an die Planung des Archivbesuchs machen. Dieser wird am besten durch eine schriftliche Anfrage – per E-Mail oder postalisch – an das Archiv eingeleitet. Dort beschreibt man in kurzen Worten das Forschungsinteresse und konkret für welche Bestände man sich interessiert. Dem Archivar bereiten vage Anfragen wie: „Ich interessiere mich für die Geschichte der Spitäler. Haben Sie dazu irgendwas“ erfahrungsgemäß nur wenig Freude. Zielführender ist dagegen etwa eine Anfrage wie: "Ich arbeite an einer Master-Arbeit zu mittelalterlichen Bürgerspitälern in oberösterreichischen Städten und Märkten. Gibt es über die bereits im Druck erschienen Urkunden hinaus noch weitere Bestände in Ihrem Archiv?" Darauf kann ein Archivar gezielt antworten und muss nicht ausführliche Antworten schreiben, die vielleicht gar nicht gewünscht waren.
In der Regel sind die Öffnungszeiten der Archive über das Internet recherchierbar, doch empfiehlt sich eine Kontaktaufnahme mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Besuch. Diese Art der Kontaktaufnahme bietet dem Archivar noch die Möglichkeit eventuelle Unklarheiten zu bereinigen, über Sperren bestimmter Bestände zu informieren (etwa aus rechtlichen oder konservatorischen Gründen) bzw. die im Archiv vorhandenen Findmittel zu durchsuchen und dem Benutzer schon vorab erste Informationen zu vorhandenen Archivalien zu geben. Eine ausreichende Frist zwischen Anfrage und Besuch bietet dem Archivar auch in der Regel genug Zeit, die angefragten Archivalien aus dem Depot zu holen und vor der Benutzung auf ihre Unversehrtheit und Benutzbarkeit hin zu untersuchen. Schadhafte Dokumente dürfen nämlich nicht an Benutzer weitergegeben werden. Für die schriftliche Anfrage empfiehlt es sich weiters, die durchgesehene Literatur kurz zu nennen, da die Archivare als ausgewiesene Kenner der Bestände oft noch ergänzende Hinweise geben können.
Archivbesuch
Bei einem erstmaligen Besuch in einem Archiv ist in der Regel ein Benutzerbogen auszufüllen. Dort sind die persönlichen Daten wie Name und Anschrift bekannt zu geben, wobei ein Lichtbildausweis zur Überprüfung der Identität vorzuweisen ist. Auf dem Benutzerbogen wird meist auch das Forschungsgebiet und der Grund der Forschung (z.B. Master-Arbeit, genealogische Forschung) vermerkt. Mit der Unterschrift auf dem Benutzerbogen werden meist auch die Benutzungsbestimmungen akzeptiert. Dabei verpflichtet man sich in der Regel, so genannte Belegexemplare unentgeltlich und unaufgefordert an das Archiv zu übergeben, sobald die Arbeit im Druck oder als (ungedruckte) Hochschulschrift erschienen bzw. approbiert ist.
Im Archiv selbst können die bestellten Archivalien im so genannten Lese- oder Benutzersaal durchgesehen werden. Das Verhalten im Archiv regelt die Benutzerordnung. Bei allfälligen Fragen steht der Archivar bzw. die Benutzeraufsicht jederzeit zur Verfügung.
Für die Arbeit an den Beständen empfiehlt es sich, die einschlägigen Nachschlagewerke, Handbücher, Lexika etc. wenn möglich an den Arbeitsplatz mitzunehmen. Arbeitet man beispielsweise an mittelalterlichen lateinischen Urkunden, so empfiehlt es sich, den "Grotefend" – ein Handbuch zum Auflösen von Tagesangaben – und ein Lateinwörterbuch mitzunehmen. Diese sind zwar in der Regel in der Archivbibliothek vorhanden, aber wenn ein anderer Benutzer diese gerade verwendet, ist man in der Arbeit blockiert. Den "Grotefend" gibt es allerdings auch in einer Online-Version ↗, die mühsames Auflösen der Tagesangaben für eine*n selbst erledigt.
Über die Recherche und zu den durchgesehenen Archivalien sollte man sich stets Aufzeichnungen machen, am besten in Form eines Journals. Wichtig dabei ist, stets die entsprechende Signatur der Archivalien zu notieren, denn dadurch ist gewährleistet, dass man diese gegebenenfalls in seiner wissenschaftlichen Arbeit korrekt zitieren kann. Bei der Durchsicht der Archivalien finden sich oft noch Hinweise auf andere relevante Archivalien, die dann beim Archivar bestellt werden können. Weiters können die im Archiv gegebenenfalls vorhandenen Findmittel zusätzlich auf interessante Bestände hin untersucht werden. Sofern eine solche vorhanden ist, lohnt sich ebenso ein Blick in die Archivbibliothek. Dort werden neben der einschlägigen Literatur zu den Archivbeständen oft auch nur schwer zugängliche oder sogar nur einmalig vorhandene Typoskripte, Hochschulschriften, Manuskripte etc. verwahrt.
Verhalten im Ernstfall - Die Benutzerordnung
Für das Verhalten im Archiv gibt es eine Reihe von Regeln und Vorschriften, die es zu beachten gibt. Häufig kann man die Benutzerordnungen bereits auf den Homepages der Archive einsehen und es empfiehlt sich, dies schon vor dem Besuch zu tun.
In der Benutzerordnung ist vermerkt, was in den jeweiligen Archiven erlaubt und was verboten ist. Ungeachtet der einzelnen Bestimmungen sind in allen Archiven folgende Punkte zu beachten:
- Da es sich um wertvolle Unikate handelt, ist beim Umgang mit Archivalien größtmögliche Sorgfalt angebracht. Auf die Archivalien darf nichts gelegt werden. Bei Büchern sind, wenn vorhanden, so genannte Buchkeile zu verwenden.
- Während der Benutzung besonders wertvoller Archivalien sind aus konservatorischen Gründen zuweilen weiße, saubere Baumwollhandschuhe zu tragen. Häufig erhält man solche gegen einen kleinen Betrag im Archiv selbst. Plant man, öfter an Archivalien zu arbeiten, empfiehlt sich die Anschaffung eines solchen Paars.
- Die Ordnung der Archivalien darf nicht verändert werden. Das selbständige Umsortieren etwa von Akteninhalten ist ausnahmslos untersagt.
- Tintenfedern, Kugelschreiber, Textmarker oder dergleichen sind im Lesesaal ausnahmslos verboten, die Gefahr der Verschmutzung der Archivalien bei Verwendung solcher Schreibgeräte ist nämlich zu groß - Bleistifte sind in der Regel erlaubt, genauso wie die Verwendung von Notebooks oder sonstigen digitalen Geräten. Oft sind die Arbeitsplätze im Lesesaal mit Steckdosen versehen.
- Nahrungsmittel und Getränke sind im Lesesaal verboten.
- Im Lesesaal ist aus Rücksicht auf andere Benutzer Ruhe zu wahren. Telefonieren und laute Unterhaltungen sind nicht gestattet.
- Leider ist das Fotografieren von Archivalien nicht in jedem Archiv gestattet; zuweilen brauchen Sie eine Genehmigung dafür. Auch die Frage der Urheber- und Verwertungsrechte an solchen Bildern sollte im Vorhinein mit dem Archivar/der Archivarin besprochen werden. Für Reproduktionen – etwa als Digitalisate, als Mikroformen oder als Papierkopie – gibt es häufig die Möglichkeit, diese - eventuell gegen entsprechende Gebühren - selbst mittels im Archiv zur Verfügung stehender Scanner anzufertigen oder diese von den Archivar*innen bzw. von beauftragten Fotograf*innen anfertigen zu lassen. Über Kosten informiert in der Regel die Gebührenordnung des Archivs.