Über andere Texte schreiben

Aktualität und Bedeutung eines Buches oder Aufsatzes sind nicht auf den ersten Blick erschließbar.  Glücklicherweise haben sich in der wissenschaftlichen Diskussion diverse Textsorten herausgebildet, die Ihnen den Zugang zur Literatur wesentlich erleichtern. Dazu gehören Annotationen und Abstracts, die der inhaltlichen Erschließung einer wissenschaftlichen Arbeit dienen. Weiters Einzelrezension und Sammelrezension, die neben einer inhaltlichen Zusammenfassung vor allem auch den Stellenwert eines Buches oder eines Aufsatzes in Relation zu anderen Publikationen reflektieren und in Relation zum Forschungsstand bewerten. Review Articles geben Ihnen einen aktuellen Überblick über den Publikationsstand in einem Forschungsgebiet.


Annotation

Eine Annotation ist eine möglichst kurze und allgemeine Charakterisierung eines Texts (Buches/Aufsatzes). Neben den Titelangaben soll sie in wenigen Zeilen (5-10 Zeilen) eine inhaltliche Buchinformation enthalten. Bei Webseiten wird unter Annotation auch die Erweiterung von Texten durch Metadaten etwa durch Kommentare, Diskussionsforen und Links anderer User/innen verstanden.

Beim Verfassen einer Annotation sollten Sie folgende Kriterien beachten:

1. Geben Sie die vollständigen Titelangaben bzw. Titelinformationen (Autor*in, Titel, Erscheinungsort und -jahr, Verlag, Preis) an.

2. Die restlichen Informationen sollen möglichst redundanzfrei sein, d.h. Sie sollten keine Angaben machen, die schon aus dem Titel des Bandes/Dokuments erschlossen werden können. 

3. Annotationen sollen möglichst deskriptiv sein, also auf Wertungen verzichten.

4. Sie dienen dem weiteren Verständnis eines Titels unabhängig von bestimmten Benutzerkreisen und sollen deshalb allgemein verständlich sein. 

5. Annotationen müssen nicht unbedingt aus vollständigen Sätzen bestehen. 

6. Sie können auch Benutzungs- und Bezugshinweise enthalten.

 

Beispiel für eine Annotation

Eine Annotation über einen Band zum wissenschaftlichen Arbeiten könnte zum Beispiel folgendermaßen aussehen:


Theo Hug, Hg., Wie kommt Wissenschaft zum Wissen? Bd. 1: Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten, Baltmannsweiler 2001, 408 S., Schneider Verlag Hohengehren, Euro 22.00


Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Disziplinen behandeln, allgemeine didaktische Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens wie die handwerklichen Dimensionen und Lernformen. Neue Medien und Wissensmanagement im Studium bilden einen weiteren Schwerpunkt. Der Sammelband verfügt über ein detailliertes Sach- und Personenregister.

 

 

 

Abstract

Abstracts sind Texte, die den Inhalt eines Buches/Aufsatzes komprimiert wiedergeben und dabei die wesentlichen Aussagen präsentieren. Sie richten sich eher an ein Fachpublikum und dienen der raschen Information über einen Text. Englischsprachige Abstracts sind inzwischen zu einem unverzichtbaren Bestandteil der meisten fachwissenschaftlichen Zeitschriften geworden und werden auch von Fachinformationsdiensten und professionellen Abstractdiensten angeboten. In Kursen werden sie häufig auch Abstracts über Ihren eigenen Text schreiben müssen - dieses ist dann Teil Ihrer Arbeit.

Beim Verfassen eines Abstracts sollten Sie folgende Kriterien beachten:

1. Geben Sie in Abstracts die wesentlichen Inhalte eines Textes wieder.

2. Betonen Sie dabei die Hauptaussagen bzw. zentralen Thesen

3. Abstracts sollen möglichst deskriptiv sein und auf Wertungen verzichten.

4. Da diese Textsorte eher auf eine Fachpublikum abzielt, können Sie auch einschlägige Termini verwenden.

5. Mit einem Abstract sollen Sie die Wahl eines Textes für eine einschlägige Fragestellung erleichtern.

6. Abstracts sollen ca. eine halbe bis ganze Seite (800 bis 1500 Zeichen) lang sein.

 

Beispiele für deutsch- und englischsprachige Abstracts

Hier finden Sie ein gelungenes Beispiel für ein Abstract zum Artikel "Winfried Schule, Zur Geschichte der Fachzeitschriften. Von der 'Historischen Zeitschrift' zu den 'zeitenblicken' ↗" im Online-Journal "zeitenblicke ↗". Den dazugehörigen Artikel können Sie im Anschluss an das Abstract lesen; sollte der Link zum Artikel von Schulze nicht funktionieren, rufen Sie bitte dessen Spiegelung im Internet Archive ↗ (Version 17.1.2006) auf!

Das Abstract zu "Ulf Christian Ewert, 'The biological standard of living on the decline: Episodes from Germany during early' ↗" [über u:access ↗] - publiziert in: "European Review of Economic History 10 (2006), 51-88" - ist ein typisches Beispiel für ein englischsprachiges Abstract. 

Dem Aufsatz von "Barabara Orland, Haushalt, Konsum und Alltagsleben in der Technikgeschichte ↗" [über u:access ↗], erschienen in "Technikgeschichte 65 (1998), 273-295" ist sogar ein deutsch- und englischsprachiges Abstract vorangestellt.

 

 

Abstractdienste

Historical Abstracts ↗ [über u:access ↗] und America: History and Life (kein Zugriff über die UB) sind zwei essentielle Abstractdienste - Online-Verzeichnisse, in denen Sie Abstracts zu Zeitschriftenaufsätzen abfragen können.

Die Historical Abstracts beinhalten Titel und Abstracts für die Geschichte von 1450 bis zur Gegenwart – ausgenommen historische Werke zu den USA und Canada, die in America: History and Life verzeichnet sind. Derzeit umfasst das Abstractverzeichnis rund eine halbe Million Einträge aus über 2000 Zeitschriften.

In den Historical Abstracts finden Sie neben dem vollen Titelangaben auch Abstracts wie dieses:

Wissenschaftliche Rezension

Eine wissenschaftliche Rezension dient einmal dazu, sich rasch über eine Neuveröffentlichung informieren zu können. Anders als ein Abstract muss eine Rezension aber auch eine Aussage über den wissenschaftlichen Wert und die Bedeutung eines Textes für die aktuelle Forschung enthalten. Rezensionen haben damit eine wichtige Funktion für die fachwissenschaftliche Diskussion und beeinflussen die Rezeption einer Veröffentlichung durch die wissenschaftliche Community.

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Einzelrezensionen, also Rezension eines einzelnen Werkes (Buch/Aufsatz) in Form einer ein- bis mehrseitigen Besprechung und Sammelrezensionen, die eine vergleichende Besprechung mehrerer Werke bringen.

Wissenschaftliche Rezensionen sind relativ frei gestaltbar. Gegenüber essayistischen und literarischen Rezensionen gibt es aber eine Reihe von Kriterien, die Sie einhalten sollten. Im besten Fall sollte eine wissenschaftliche Rezension folgende Aufgaben erfüllen:

Sie sollte...

...die vollständigen Titelangaben beinhalten

...eine inhaltliche Zusammenfassung eines Textes bringen

...angeben, ob die Zielsetzungen des/der Autor*in erfüllt wurden

...die zentralen Thesen herausstreichen und kritisch reflektieren

...die Untersuchungsmethoden und -techniken und ihre empirische Umsetzung darstellen

...den Standpunkt des/der Autor*in bestimmen 

...den innovativen wissenschaftlichen Wert des Werkes reflektieren

...einen Text mit anderen Veröffentlichungen vergleichen 

...die sprachliche Qualität und die Vermittlungsweise beschreiben

...die Aufbereitung der Untersuchungsergebnisse kritisieren

...eine begründete Empfehlung zur Lektüre aussprechen

 

Beispiel für eine Rezension

Hier ein Beispiel für eine eher kürzere Rezension aus der Zeitschrift "L'Homme. Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft".

Karen Hagemann u. Ralf Pröve Hg., Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel (=Reihe "Geschichte und Geschlechter", hg. V. Ute Daniel, Karin Hausen u. Heide Wunder, Bd. 26). Frankfurt a. m./New York: Campus 1998, 368 S., mit Abb., ISBN 3-593-36101-9.

"Ein Experiment mit ungewissem Ausgang” sei – so Herausgeberin Karen Hagemann – am Beginn jenes Denk- und Diskussionsprozesses gestanden, aus dem der vorliegende Sammelband hervorgegangen ist. 1997 war es in Berlin zu einer ersten Annäherung zwischen zwei Forschungsfeldern gekommen, die bis dahin weitgehend isoliert voneinander gearbeitet hatten: VertreterInnen der historischen Frauen- und Geschlechterforschung, die sich auch für Fragen der Geschichte von Männern und Männlichkeit zu öffnen beginnt, und einer neuen, im sozial- und gesellschaftlichen Kontext positionierten Militärgeschichte debattierten im Rahmen eines Workshops über "Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel".
Die nunmehr veröffentlichten, überarbeiteten Beiträge – ergänzt um weitere Aufsätze – dokumentieren das Potenzial, das in diesem gemeinsamen Diskurs liegt: Gehören doch Militär und Krieg zum "Kern von Herrschaft und ihrer Ausübung" (346) und stellen somit höchstens bedeutungsvolle und folgenschwere gesellschaftliche Szenarien dar. Zugleich sind sie gewichtige Institutionen und Zeiten für die Konstruktion von Geschlechterverhältnissen.
Der gewählte Zeitrahmen – vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert – erlaubt es, zentrale Phasen eines grundlegenden Wandels im Militär- und Kriegswesen und seine Verflechtungen mit der Ordnung der Geschlechter in den Blick zu nehmen: von der Zeit der Söldnerheere im 16. und 17. Jahrhundert über die Periode der stehenden Heere im 18. Jahrhundert bis zur "Epoche der industrialisierten Massenkriegsführung auf der Basis einer allgemeinen Wahlpflicht am Vorabend des Ersten Weltkrieges" (10).
In zwölf Beiträgen werden die vielschichtigen Beziehungen zwischen Militär, Krieg, Zivilgesellschaft und Geschlechterbeziehungen behandelt. Sie repräsentieren einen Ausschnitt aus der "denkbaren Breite des jungen Forschungsfeldes" (11) und sind drei thematischen Schwerpunkten zugeordnet: "Militär, Krieg und Männlichkeit", "Frauen im Krieg" sowie "Militär, Gesellschaft und Geschlechterbeziehungen". Den Rahmen bilden zwei weitere Bausteine: In einem einleitenden Forschungsüberblick reflektiert Karen Hagemann die Möglichkeiten und Grenzen einer Geschlechtergeschichte von Krieg und Militär. Martin Dinges unternimmt als Ausklang der Publikation den Versuch einer "Bilanz". Diese ist nicht als Schlusspunkt, sondern als Anregung zu weiteren Forschungen zu verstehen, hat die fruchtbare interdisziplinäre Auseinandersetzung doch gerade erst eingesetzt. Der erste Überblick über die laufende Forschung im deutschsprachigen Raum – und den wollten die Herausgeberin und der Herausgeber mit ihrem Sammelband geben – ist ein produktiver Anfang, der auf weitere Synergieeffekte hoffen lässt.

Ingrid Bauer, Salzburg

Ingrid Bauer: Kurzrezension des Bandes Hagemann/Pröve, Landsknechte, erschienen in L'homme 10, 1 (1995), 153-154.

 

 

Sammelrezension

Eine wissenschaftliche Sammelrezension soll über mehrere Neuveröffentlichungen informieren und eine vergleichende Aussage über den wissenschaftlichen Wert und die Bedeutung der Textes für die aktuelle Forschung enthalten.

 

Beispiel für eine Sammelrezension

Hier finden Sie eine Sammelrezension von fünf Publikationen zur "Revolution von 1848 ↗", eine weitere zur "Deutschen Teilungsgeschichte ↗" im Urteil einstiger DDR-Historiker. Beide Sammelrezensionen erschienen in "H/Soz/Kult ↗", einem der wichtigsten Fachinformationsdienste für Historiker*innen.

 

 

Rezensionsdienste

Rezensionen zu Neuerscheinungen in einem bestimmten Themenbereich können Sie in Rezensionsdiensten und -medien auf unterschiedliche Weise finden:

1. Sie finden sie einmal in gedruckten Fachpublikationen, die sich teilweise oder sogar ganz dem Rezensieren verschrieben haben. 

2. Einige bedeutende Rezensionsdienste können Sie auch über Online-Datenbanken erschließen. 

3. Nationale und internationale Wochenzeitungen haben ebenfalls über einen beträchtlichen Rezensionsteil.

4. Schließlich können Sie auch in Verzeichnissen von erschienenen Rezensionen suchen.

Rezensionen in Zeitschriften

Wichtige gedruckte Rezensionsorgane in Form von Zeitschriften sind:

Neue Politische Literatur (NPL): Die Zeitschrift rezensiert seit ihrer Gründung 1956 die wissenschaftliche Literatur in Politik und Zeitgeschichte. Es ist auch online abrufbar ↗.

Das Historisch-Politische Buch (HPB): In dieser sechs Mal pro Jahr erscheinenden Zeitschrift finden Sie sowohl Sammel- als auch Einzelrezensionen, die nach unterschiedlichen Kategorien gegliedert sind.

Historische Zeitschrift (HZ): Die HZ ist eine historische Zeitschrift mit einem sehr umfangreichen Rezensionsteil. Die 1859 gegründete Zeitschrift erscheint in 6 Heften pro Jahr. Es ist auch online aufrufbar ↗ [über u:access ↗].

Ähnlich auch die Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (VSWG), die neben wenigen Aufsätzen und Miszellen viele Rezensionen enthält. Es ist auch online aufrufbar ↗ [über u:access ↗].

Der The American Historical Review ↗ [über u:access ↗], 1895 als Publikationsorgan der American Historical Association gegründet, veröffentlicht jährlich rund 1000 Rezensionen vor allem zum englischsprachigen Raum.

 

 

Online Rezensionsdienste

Bedeutende Online-Datenbanken mit Rezensionen werden von folgenden Fachinformationsdiensten sind:

Dazu gehört einmal der Rezensionsbereich von H-Soz-Kult ↗, einem Internet-Portal, das der Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften dient.

Im Rahmen des historicum.net – Geschichts- und Kulturwissenschaften im Internet ↗ entstand sehepunkte – Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften ↗.

Die H-Net Reviews ↗ sind eine weitere internationale Ressource für Rezensionen. Als Teil des H-Nets ↗, das viele Fachinformationen für Historiker*innen bereitstellt, bietet es ausführliche englischsprachige Rezensionen zu Neuerscheinungen aus allen Bereichen der Geschichtswissenschaft seit 1998. Die besprochenen Bücher und Multimedia-Publikationen sind meist ebenfalls englischsprachig.

 

 

Rezensionen in Zeitungen

Nicht zu vergessen sind nationale und internationale Wochenzeitungen wie Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit, Neue Zürcher Zeitung oder New York Review of Books, die ebenfalls über einen beträchtlichen Rezensionsteil verfügen und vor allem schneller als historische Fachzeitschriften rezensieren. Einige dieser Zeitungen stellen ihre Rezensionen und ihr Artikelarchiv ins Netz und ermöglichen dort die Recherche. So etwa das Archiv der "Zeit" ↗, welches aber nur beschränkt gratis benutzt werden kann. Dort lassen sich auch Debatten um Bücher nachverfolgen.

 

 

Bibliographie der Rezensionen

Das beste Verzeichnis der Rezensionen ist die Internationale Bibliographie der Rezensionen (IBR) ↗ [über u:access ↗], die in der Online-Version viele Nachweise für die Zeit nach 1985 enthält. Hier finden Sie zwar keine Rezensionen, aber viele sehr brauchbare Rezensionsnachweise für Zeitschriften, die Sie dann in Ihrer Bibliothek ausheben oder über u:access direkt aufrufen können.

 

 

Review Article

In einem Review Article gibt ein/e Autor*in zu einer bestimmten Thematik einen möglichst vollständigen und kritischen Überblick über den Forschungsstand. Dabei werden die zentralen Diskussionen in diesem Bereich herausgearbeitet. Meist konzentrieren sich diese Texte auf ein eher schmales Themenfeld, sind aber dennoch recht umfangreich (20 Seiten und mehr). Die Autor*innen sollten möglichst Expert*innen im behandelten Forschungsfeld sein. Review Articles beinhalten meist viele Fußnoten/Endnoten und Verweise auf die behandelte Literatur.

 

Beispiel für einen Review Article

Hier finden Sie ein sehr gelungenes Beispiel für einen Review Article, in dem ein Überblick über den Stand der "Geschichte der Homosexualität (im Jahr 1998)" gegeben wird.

Gert Hekma, Die Verfolgung der Männer. Gleichgeschlechtliche männliche Begierden und Praktiken in der europäischen Geschichte, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 9 (1998), 311-341.